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Kiesbankräumung

Kies für alle, alle für den Kies
Kooperation für das Leben in und an der Litzauer Schleife

Ein Großteil der für einen Wildfluss typischen Lebensräume sind in den letzten 65 Jahren am Lech verloren gegangen. An der Litzauer Schleife sollte sich dies nun wieder ändern. Im November 2016 haben wir vom Verein Lebensraum Lechtal uns daran gewagt: Wir wollten wieder Dynamik in den Lech bringen – genauer gesagt in die Litzauer Schleife – den letzten naturnahen Fließabschnitt des Lechs im Landkreis Weilheim-Schongau.


Bei Untersuchungen stellte sich heraus, dass es zwar noch „flussbett-gestaltende“ Hochwasser an der Litzauer Schleife gibt, aber umlagerungsfähiger Kies fehlt. Die Hochwasser, die seit 1954, also seit dem Bau des Forggensee-Staudamms, stattfanden, haben die Sedimente unter sechs Zentimeter Korngröße fast vollständig „ausgewaschen“. Übrig geblieben ist ein Flussbett, das hauptsächlich aus faustgroßen Steinen besteht. Laichmöglichkeiten für Bachforelle, Huchen und Co.? Fehlanzeige!

 

Ebenso gravierend ist das schleichende Verschwinden der Lebensräume von Makrozoobenthos – mit dem bloßen Auge erkennbare, wirbellose Tiere, die ein wesentlicher Indikator für Gewässerlebensräume sind. Es musste dringend Kies her, um die Lebensbedingungen der Flussbewohner zu verbessern. Lechkies wäre natürlich am besten. Die Lösung fand sich im Gespräch mit Bernhard Müller vom WWA Weilheim. Der Halblech transportiert viele Sedimente. Diese lassen den Fluss im Mündungsbereich in den Lech (Stausee 2) „auflanden“ und werden so zum Problem. In Absprache mit Martin Mohr vom WWA Kempten wurde deutlich: Dieser Kies muss sowieso entnommen werden und wir können ihn für unser Vorhaben verwenden.
Eine Abstimmung mit den zuständigen Flussmeistern Stefan Kotz (WWA Weilheim) und Gerhard Mayer (WWA Kempten) – und schon liefen die Vorbereitungen. Das WWA Kempten entnahm rund einhundert LKW-Ladungen Kies und siebte es auf die in der Litzauer Schleife fehlende Korngröße von unter sechs Zentimeter. Ende November 2016 fuhren die ersten Kies-LKWs, für die der Lebensraum Lechtal e. V. innerhalb des Hotspot-Projektes die Kosten übernahm. Dann passierte etwas sehr Schönes: Heinz Höfler und seine Mitstreiter vom Fischerverein „Die Gesplißten“ waren von der Kieseinbringung so begeistert, dass sie nochmals Gelder zuschossen. So konnte noch mehr Halblech-Kies in die Litzauer Schleife transportiert werden.
Langsam nahm die Kiesbank Gestalt an. Auch einzelne Fichten, sogenannte „Rauhbäume“ (Lebensraum für Jungfische), Wurzelstöcke und einzelne Flussbausteine wurden eingebracht, so dass viele verschiedene Kleinst-Lebensräume entstanden.


Nach einer guten Woche Arbeit und rund 1.500 Kubikmeter Kies (früher wurden am Lech jährlich 100.000 bis oft mehr als 300.000 Kubikmeter Kies umgelagert) war ein frischer Laichplatz an der Litzauer Schleife entstanden. Dass er funktionierte, bestätigte sich im darauffolgenden Sommer bei einer Elektrobefischung: Es gab seit Jahren das erste Mal wieder Nachwuchs bei Huchen und Co.!
Doch die Freude hielt leider nur kurz: Die Feinsedimente setzten die Kieszwischenräume zu und „verbucken“ die Kiesel miteinander. Der Lebensraum Lechtal e. V. organisierte deshalb für Ende November 2017 eine weitere Kieseinbringung, wieder in derselben Konstellation.

 

Im inzwischen aufgestellten „Umsetzungskonzept (UK) Litzauer Schleife“ wurde die regelmäßige Auffrischung des Laichplatzes verankert. Auch viele Pflanzen und Tiere oberhalb der Wasserkante sind auf frische und vegetationslose Kiesinseln angewiesen. Darum griffen wir zu einer weiteren Maßnahme: der Kiesbankräumung. Wir wollten nicht nur Gebüsche entfernen, sondern einen Teil der Kiesbank wieder „auf Null setzen“, so dass Arten wie der Fluss-Regenpfeifer wieder pure Kieslebensräume vorfinden. Im Naturschutz- und FFH-Gebiet wurden für diese modellhafte Maßnahme, die auch für die kommenden Jahre eine intensive Betreuung verlangt, ebenfalls Baggerarbeiten notwendig. Darum war die Hauptarbeit die Abstimmung mit den Behörden und weiteren Akteurinnen und Akteuren. Dank der guten Zusammenarbeit mit Andrea Burmester von der höheren Naturschutzbehörde Oberbayern und Matthias Hett von der unteren Naturschutzbehörde Weilheim konnten wir eine gemeinsame Lösung für die unterschiedlichen Standpunkte inner- und außerhalb des Naturschutzes finden.


Nach rund vier Jahren Vorbereitungszeit war es im Dezember 2019 dann endlich soweit: Der Bagger stand auf der Kiesbank und räumte Schaufel um Schaufel des Oberbodens beiseite, so dass nach rund neun Arbeitstagen etwa 4000 Quadratmeter offene Kiesfläche neu geschaffen war. Auch die Kombination der Kiesbankräumung mit einer Altarmanbindung des WWA Weilheim (aus dem UK) war sehr von Vorteil, da so die Baggerarbeiten eine einmalige und möglichst kurzzeitige „Störung“ des Naturschutzgebietes darstellten.


Die Kieseinbringung und die Kiesbankräumung waren in dieser Form nur möglich, weil alle Beteiligten sich für eine ökologischere Litzauer Schleife eingesetzt haben. Vielen Dank für die tolle Zusammenarbeit! Die Lebensbedingungen bedrohter Arten konnten so verbessert werden.

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